3. Dezember – Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen

  • 4. Dezember 2021

Letzte Änderung: 4. Dezember 2021

Der Verein LUKAS 14 e.V. setzt sich aus Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen zusammen: Gehörlose und Schwerhörige, Blinde und Sehbehinderte, Rollstuhlfahrer, Kleinwüchsige und andere Formen der körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung.

Am heutigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen wollen wir ein paar unserer Mitglieder zu Wort kommen lassen. Was sie bewegt und was sie sich von der Gesellschaft wünschen:

STEFFI, gehörlos und CI-Trägerin

Was wünschst Du Dir von der Gesellschaft heute?

Von der Gesellschaft wünsche ich mir: Dass es einfach mehr Aufklärung gibt in Sachen Gehörlosigkeit. Aber auch, dass Menschen, egal mit welcher Behinderung sie leben, akzeptiert werden und vollwertig angesehen werden. Man sollte sie erstmal kennenlernen und nicht in Schubladen stecken. Weniger Diskriminierung.

CORINNA, hochgradige Sehbehinderung

Was wünschst Du Dir von der Gesellschaft heute?

Ich wünsche mir, dass die Mitmenschen mich in erster Linie als Menschen mit Stärken, Schwächen, guten und schlechten Eigenschaften sehen und nicht vorrangig meine Behinderung. Anders ausgedrückt wünsche ich mir, nicht auf meine Behinderung reduziert zu werden, sondern dass man in mir einfach den Menschen Corinna sieht.

Ich wünsche mir Akzeptanz und dass ich genau so ernst genommen werde wie jeder andere Mensch. Da ich mit meiner Behinderung schon sehr lange lebe, habe ich gelernt, meine Bedürfnisse diesbezüglich zu äußern, zum Beispiel wenn ich etwas nicht lesen kann oder anderweitig Hilfe benötige. In einer größeren Runde ist es aber für mich wichtig, dass andere Leute zunächst auf mich zugehen, wenn sie sich mit mir unterhalten möchten, da das für mich umgekehrt schwierig ist, weil ich die Leute nicht sehe.

Was würdest Du den Menschen ohne Beeinträchtigungen gerne sagen?

Gerne kann man mich zu meiner Behinderung befragen, das ist mir sehr viel lieber als wenn Menschen mich aus Unsicherheit meiden.

GUNTER, Rollstuhlfahrer mit fortschreitender Behinderung

Was wünschst Du Dir von der Gesellschaft heute?

Ich habe natürlich viele Wünsche/Fragen, allerdings nicht allgemein an die „Gesellschaft“, sondern konkreter Natur: warum werden immer noch auf Straßen/Bürgersteigen/Plätze Kopfsteinpflaster verlegt, auf dem ältere Menschen mit Stock oder Rollator, Rollstuhlfahrer, Damen mit hohen Absätzen sich nur schwer fortbewegen können? Es gibt auch andere Lösungen, die auch ins Stadtbild passen. Warum wird in Frankfurt eine neue Straßenbahnhaltestelle (Karmeliterkloster) eingerichtet; die absolut nicht barrierefrei ist? Warum wird in Niederrad eine DHL-Packstation neu eingerichtet, die mit dem Rollstuhl nicht zugänglich ist? Wieso werden mitunter Bordsteine für Rollstuhlfahrer abgesenkt, aber gleichzeitig mittig ein Poller gesetzt? Werden bei all diesen Projekten keine Rollstuhlfahrer in die Planung mit eingebunden? Dies sind nur einige wenige Beispiele von Barrieren, auf die ich nahezu täglich stoße.

Was würdest Du den Menschen ohne Beeinträchtigungen gerne sagen?

Setzt euch mal eine Stunde in einen Rollstuhl und versucht euch im öffentlichen Raum fortzubewegen. Dann werdet ihr nach spätestens 15 Minuten merken, wovon ich spreche und am ersten nicht funktionierenden Aufzug scheitern. Zu Spitzenzeiten waren in Frankfurt 21(!) Fahrstühle der Verkehrsbetriebe gleichzeitig defekt. Allerdings sind wir in Frankfurt noch in einer Luxus-Situation, weil wir für eine Großstadt relativ kurze Wege und unterschiedliche Fortbewegungsmöglichkeiten haben (Bus, U-Bahn, S-Bahn). Außerdem gibt es für Rollstuhlfahrer einen von der Stadt Frankfurt finanzierten Beförderungsdienst für Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit dem man sich in Frankfurt und Umgebung zweimal in der Woche mit einem Spezialfahrzeug für Rollstuhlfahrer fahren lassen kann. Es gibt viele Anbieter in Frankfurt. Ich mache jetzt einfach mal Schleichwerbung: der Fahrdienst Rumpf fährt mich schon seit vielen Jahren, privat, auf Kosten der Stadt Frankfurt ins Kino, Theater, Restaurants, zum Einkaufen, aber auch, von anderer Stelle finanziert, ins Büro, zu Ärzten. Ohne deren Hilfe wäre ich oft gar nicht erst  aus dem Haus gekommen, weil auch hier zu Hause der Aufzug regelmäßig defekt ist. Oder ich hätte nachts auf der Straße gestanden und wäre nicht mehr reingekommen.

Was möchtest Du einfach mal loswerden?
Ich habe auch Glück: ich habe einen Mann und eine Schwester, die zu mir stehen und mich unterstützen, einen großen Freundeskreis und einen verständnisvollen Arbeitgeber, Kolleginnen und Kollegen, die mich täglich unterstützen. Auch wird mir im alltäglichen Leben häufig Hilfe angeboten. Gerne von jungen Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund, die offensichtlich bei Rollstuhlfahrern keine Berührungsängste haben. Ich stand noch nie alleine da. Ich denke Hilfe ist auch eine „Holschuld“ und nicht nur eine „Bringschuld“.

Was mich auch nervt: die vielen „ich-bin-nur-mal-kurz-beim-Bäcker“ Autofahrer, die Behindertenparkplätze blockieren. Nur kurze 10 Minuten, aber nacheinander mehrere Autofahrer, sodass der Parkplatz fast durchgehend blockiert ist.

Ach ja, noch etwas: Wie helfe ich richtig?
1. fragen: „Benötigen Sie Hilfe?“
2. fragen: „Wie kann ich helfen?“
3. Antwort abwarten, nicht ungefragt übergriffig werden
4. akzeptieren wenn das Hilfsangebot abgelehnt wird (man versucht es oft erst selbst. Stichwort: Selbstständigkeit erhalten)
5. sich nicht abschrecken lassen, wenn jemand auf das Hilfsangebot unfreundlich reagiert, denn es gibt, genauso wie im Rest der Gesellschaft, auch unter den Menschen mit Behinderungen vereinzelt Person, die einfach nur Idioten sind und unangemessen reagieren.